Französische Literatur

Drei Geschichten

Ein schlichtes Herz

 

 

 

Der hier vorgestellte Text stammt aus der ersten dieser Erzählungen: „Un cœur simple“. Er erzählt vom Leben des Dienstmädchens Félicité, das ohne Berechnung und Selbstreflexion der Familie ergeben dient. Unter seiner scheinbaren Einfachheit ist Flauberts Text gründlich durchdacht und exakt ausgearbeitet: Er bildet einen der Höhepunkte der Prosa in der französischen Sprache.

 

 

« Eine Viertelstunde später hatte sich Felicitas bei ihr häuslich niedergelassen.

Anfangs lebte sie in einer Art Bangigkeit, verursacht vom « Geist des Hauses » und vom Andenken an den « gnädigen Herrn », das über allem schwebte. Paul und Virginia, die beiden Kinder, das eine sieben Jahre alt, das andere nicht ganz vier, kamen ihr vor wie aus kostbarem Stoffe gebildet. Sie ging geradezu für sie auf, und Frau Aubain mußte ihr verbieten, sie aller Augenblicke zu küssen, was sie höchlichst kränkte. Gleichwohl fühlte sie sich glücklich. Die freundliche Umgebung hatte ihren Kummer verscheucht.

An jedem Donnerstage kamen die Stammgäste des Hauses zum Boston. Felicitas legte die Karten und die Fußwärmer vorher zurecht. Pünktlich um acht Uhr erschienen sie, und kurz vor Schlag elf gingen sie wieder.

Jeden Montag breitete der Trödler, der im Durchgange hauste, seinen Kram an der Erde aus. Dann war die Stadt voller Stimmengesumm, in das sich Pferdegewieher, Lämmergeblök, Schweinegegrunz und das harte Rattern der Karren auf dem Steinpflaster mischten. Gegen Mittag, wenn der Markt in vollem Gange war, erschien auf der Schwelle ein alter hochgewachsener Bauer mit einer Hakennase, die Mütze im Genick. Das war Robelin, der Pächter von Geffosses. Bald darauf stellte sich Liébard ein, der Pächter von Toucques, ein rotes, feistes Männchen in grauer Jacke und sporenklingenden Gamaschenstiefeln.

Beide brachten ihrer Gutsherrin Hühner und Käse dar. Felicitas verstand ihre Hinterabsichten immer irgendwie zu vereiteln, und voll Respekt vor ihr gingen sie von dannen.

Hin und wieder empfing Frau Aubain den Besuch des Barons von Gremanville. Das war ein Onkel von ihr, der sein Vermögen durchgebracht hatte und nun in Falaise auf dem letzten bißchen Anwesen lebte. Er stellte sich stets zur Frühstücksstunde ein, begleitet von einem scheußlichen Pudel, der mit seinen Pfoten alle Möbel beschmutzte. Wie angelegen er sich’s auch sein ließ, alleweg als Edelmann zu erscheinen – was so weit ging, daß er jedesmal, wenn er « mein Vater selig » sagte, den Hut lüftete –, schenkte er sich doch, wie es seine Gewohnheit war, Glas um Glas ein und gab schlimme Geschichten zum besten. Felicitas nötigte ihn höflich hinaus:

« Sie haben genug, Herr Baron! Aufs nächste Mal! »

Und zu war die Tür.

Mit Vergnügen öffnete sie Herrn Bourais, einem ehemaligen Advokaten. Seine weiße Halsbinde und seine Glatze, das Jabot seines Hemds, sein weiter brauner Rock, seine Armhaltung, wenn er eine Prise nahm, kurz seine ganze Persönlichkeit versetzten sie in jene Erregung, die uns erfaßt, wenn wir einem ungewöhnlichen Menschen ins Auge schauen.

Da er die Güter der « gnädigen Frau » verwaltete, verbrachte er mit ihr ganze Stunden hinter verschlossener Tür im Arbeitszimmer des « gnädigen Herrn ». Er fürchtete immer, etwas Dummes zu sagen, hatte grenzenlosen Respekt vor den Behörden und tat, als ob er Latein verstünde. Zur unterhaltsamen Belehrung schenkte er den Kindern eine Erdkunde mit Kupferstichen. Selbige stellten verschiedene Schauplätze derErde dar, federngeschmückte Menschenfresser, einen Affen, der eine junge Dame raubt, Beduinen in der Wüste, einen Wal, der mit Harpunen erlegt wird, und dergleichen mehr.

Paul erklärte Felicitas diese Stiche. Das war ihre ganze wissenschaftliche Bildung.

Die der Kinder lag einem gewissen Guyot ob, einem armen Teufel, der im Rathause angestellt und wegen seiner schönen Hände berühmt war; er pflegte sein Messer am Stiefel zu wetzen.

Bei schönem Wetter ward am frühen Vormittag nach dem Gute Geffosses gewandert.

Der Hof lag lehnan, das Haus stand in der Mitte; in der Ferne schimmerte das Meer wie ein grauer Streifen.

Felicitas holte aus ihrem Handkorbe kalten Aufschnitt hervor, und in einem Zimmer neben der Molkerei wurde gefrühstückt. Das Gelaß war das einzige, was von einem verschwundenen Landhause übrig war. Die Tapete war zerfetzt und flatterte im Zugwind. Von Erinnerungen übermannt, ließ Frau Aubain den Kopf hängen. Die Kinder wagten nicht mehr zu reden.

« Aber so spielt doch! » sagte sie.

Da liefen sie hinaus.

Paul kletterte auf den Boden der Scheune, fing Vögel, flitschte Steine über den Teich oder schlug mit einem Stock auf die großen Fässer, die wie Trommeln dröhnten.

Virginia fütterte die Kaninchen, lief ins Feld nach Kornblumen, und ihre Beine flogen, daß man ihre gestickten Höschen sah.

An einem Herbstabende nahm man den Rückweg über die Weiden.

Der Mond, der im ersten Viertel stand, erhellte einen Teil des Himmels, und Nebel schwebte wie ein Band über den Windungen der Toucques. Rinder lagen im Gras und ließen die vier Menschen ruhig vorübergehn. Auf der dritten Hut erhoben sich ein paar und stellten sich in der Runde vor ihnen hin. « Keine Furcht! » rief Felicitas und summte ein Liedchen vor sich her, während sie dem nächststehenden Tier mit der Hand übers Rückgrat strich. Es machte rechts um, und die anderen taten desgleichen. Aber als sie die folgende Hut hinter sich hatten, erscholl furchtbares Gebrüll. Es war ein Stier, den der Nebel verbarg. Er kam auf die beiden Frauen zu. Frau Aubain begann zu laufen.

« Nein, nein! nicht so schnell! »

Sie gingen aber doch rascher, hinter sich dumpfes Schnauben, das näher und näher kam. Hufe schlugen wie Hämmer auf den Grasboden. Jetzt galoppierte das Tier! Felicitas wandte sich um, riß mit beiden Händen Erdklumpen aus und schleuderte sie ihm ins Gesicht. Der Stier senkte das Maul, schüttelte die Hörner und zitterte vor Wut, wobei er schrecklich brüllte. Frau Aubain war mit ihren beiden Kindern an den Rand der Hut gelangt und trachtete in ihrer Angst irgendwie über den hohen Grenzwall zu kommen. Felicitas wich vor dem Stier schrittweise zurück, währenddem sie unaufhörlich Rasenstücke warf, die ihn blind machten. Dabei rief sie:

« Macht schnell! Macht schnell! »

Frau Aubain sprang in den Graben hinab, hob erst Virginia, dann Paul hinüber, strauchelte bei dem Versuche, die Böschung zu erklimmen, mehrmals, bot allen Mut auf und brachte es endlich zuwege.

Der Stier hatte Felicitas gegen ein Gatter gedrängt. Sein Geifer flog ihr ins Gesicht. Noch eine Sekunde, und er hätte sie aufgespießt. Sie hatte gerade noch Zeit, sich zwischen zwei Latten durchzuzwängen. Verblüfft blieb der mächtige Stier stehen.

Von diesem Ereignis redete man in Pont-l’Évêque noch nach Jahren. Felicitas bildete sich nichts darauf ein; ahnte sie ja nicht einmal, daß sie etwas Heldenhaftes getan hatte.

All ihr Augenmerk galt Virginia. Das Kind war infolge des Schreckens nervös geworden, und Herr Poupart, der Arzt, empfahl die Seebäder von Trouville.

 

 

***

Ubersetzung : Arthur Schurig

« Félicité, un quart d’heure après, était installée chez elle.

D’abord, elle y vécut dans une sorte de tremblement, que lui causaient « le genre de la maison » et le souvenir de « Monsieur », planant sur tout ! Paul et Virginie, l’un âgé de sept ans, l’autre de quatre à peine, lui semblaient formés d’une matière précieuse ; elle les portait sur son dos comme un cheval ; et Mme Aubain lui défendit de les baiser à chaque minute, ce qui la mortifia. Cependant elle se trouvait heureuse. La douceur du milieu avait fondu sa tristesse.

Tous les jeudis, des habitués venaient faire une partie de boston. Félicité préparait d’avance, les cartes et les chaufferettes. Ils arrivaient à huit heures bien juste, et se retiraient avant le coup de onze.

Chaque lundi matin, le brocanteur qui logeait sous l’allée étalait par terre ses ferrailles. Puis la ville se remplissait d’un bourdonnement de voix, où se mêlaient des hennissements de chevaux, des bêlements d’agneaux, des grognements de cochon, avec le bruit sec des carrioles dans la rue. Vers midi, au plus fort du marché, on voyait paraître sur le seuil un vieux paysan de haute taille, la casquette en arrière, le nez crochu, et qui était Robelin, le fermier de Geffosses. Peu de temps après, — c’était Liébard, le fermier de Toucques, petit, rouge, obèse, portant une veste grise et des houseaux armés d’éperons.

Tous les deux offraient à leur propriétaire des poules ou des fromages. Félicité invariablement déjouait leurs astuces ; et ils s’en allaient pleins de considération pour elle.

À des époques indéterminées, Mme Aubain recevait la visite du marquis de Gremanville, un de ses oncles, ruiné par la crapule et qui vivait à Falaise sur le dernier lopin de ses terres. Il se présentait toujours à l’heure du déjeuner, avec un affreux caniche dont les pattes salissaient tous les meubles. Malgré ses efforts pour paraître gentilhomme jusqu’à soulever son chapeau chaque fois qu’il disait : « Feu mon père », l’habitude l’entraînant, il se versait à boire coup sur coup, et lâchait des gaillardises. Félicité le poussait dehors poliment :

— Vous en avez assez, M. de Gremanville ! À une autre fois !

Et elle refermait la porte.

Elle l’ouvrait avec plaisir devant M. Bourais, ancien avoué. Sa cravate blanche et sa calvitie, le jabot de sa chemise, son ample redingote brune, sa façon de priser en arrondissant le bras, tout son individu lui produisait ce trouble où nous jette le spectacle des hommes extraordinaires.

Comme il gérait les propriétés de « Madame », il s’enfermait avec elle pendant des heures dans le cabinet de « Monsieur », et craignait toujours de se compromettre, respectait infiniment la magistrature, avait des prétentions au latin.

Pour instruire les enfants d’une manière agréable, il leur fit cadeau d’une géographie en estampes. Elles représentaient différentes scènes du monde, des anthropophages coiffés de plumes, un singe enlevant une demoiselle, des Bédouins dans le désert, une baleine qu’on harponnait, etc.

Paul donna l’explication de ces gravures à Félicité. Ce fut même toute son éducation littéraire.

Celle des enfants était faite par Guyot, un pauvre diable employé à la Mairie, fameux pour sa belle main, et qui repassait son canif sur sa botte.

Quand le temps était clair, on s’en allait de bonne heure à la ferme de Geffosses.

La cour est en pente, la maison dans le milieu ; et la mer, au loin, apparaît comme une tache grise.

Félicité retirait de son cabas des tranches de viande froide, et on déjeunait dans un appartement faisant suite à la laiterie. Il était le seul reste d’une habitation de plaisance maintenant disparue. Le papier de la muraille, en lambeaux, tremblait aux courants d’air. Mme Aubain penchait son front, accablée de souvenirs ; les enfants n’osaient plus parler.

— Mais jouez donc ! disait-elle.

Ils décampaient.

Paul montait dans la grange, attrapait des oiseaux, faisait des ricochets sur la mare, ou tapait avec un bâton les grosses futailles qui résonnaient comme des tambours.

Virginie donnait à manger aux lapins, se précipitait pour cueillir des bluets, et la rapidité de ses jambes découvrait ses petits pantalons brodés.

Un soir d’automne, on s’en retourna par les herbages.

La lune à son premier quartier éclairait une partie du ciel, et un brouillard flottait comme une écharpe sur les sinuosités de la Toucques. Des bœufs, étendus au milieu du gazon, regardaient tranquillement ces quatre personnes passer. Dans la troisième pâture, quelques-uns se levèrent, puis se mirent en rond devant elles. — « Ne craignez rien ! » dit Félicité ; et, murmurant une sorte de complainte, elle flatta sur l’échine, celui qui se trouvait le plus près ; il fit volte-face, les autres l’imitèrent. Mais quand l’herbage suivant fut traversé, un beuglement formidable s’éleva. C’était un taureau que cachait le brouillard. Il avança vers les deux femmes. Mme Aubain allait courir.

— Non ! non ! moins vite !

Elles pressaient le pas cependant, et entendaient par-derrière un souffle sonore qui se rapprochait. Ses sabots, comme des marteaux, battaient l’herbe de la prairie ; voilà qu’il galopait maintenant ! Félicité se retourna et elle arrachait à deux mains des plaques de terre qu’elle lui jetait dans les yeux. Il baissait le mufle, secouait les cornes et tremblait de fureur en beuglant horriblement. Mme Aubain, au bout de l’herbage avec ses deux petits, cherchait éperdue comment franchir le haut-bord. Félicité reculait toujours devant le taureau, et continuellement lançait des mottes de gazon qui l’aveuglaient, tandis qu’elle criait :

— Dépêchez-vous ! dépêchez-vous !

Mme Aubain descendit le fossé, poussa Virginie, Paul ensuite, tomba plusieurs fois en tâchant de gravir le talus, et à force de courage y parvint.

Le taureau avait acculé Félicité contre une claire-voie ; sa bave lui rejaillissait à la figure, une seconde de plus il l’éventrait. Elle eut le temps de se couler entre deux barreaux, et la grosse bête, toute surprise, s’arrêta.

Cet événement, pendant bien des années, fut un sujet de conversation à Pont-l’Évêque. Félicité n’en tira aucun orgueil, ne se doutant même pas qu’elle eût rien fait d’héroïque.

Virginie l’occupait exclusivement ; — car elle eut, à la suite de son effroi, une affection nerveuse, et M. Poupart, le docteur, conseilla les bains de mer de Trouville.

 

 

***